Der 10. Mai Rekonstruierte Fassung von 1957

Di, 14.05.  |  0:05-1:40  |  SF1
Alter Schweizerfilm, Schweiz 1957
Heinrich Gretler als Wachtmeister Grimm, Heinz Reincke als Werner Kramer, Landa Geiser als Anna Marti. Bild: Sender / ZDF / SRF / Franz Schnyder
Heinrich Gretler als Wachtmeister Grimm, Heinz Reincke als Werner Kramer, Landa Geiser als Anna Marti. Bild: Sender / ZDF / SRF / Franz Schnyder
Am 10. Mai 1940 überfallen Hitlers Truppen die Benelux-Staaten, und auch die Schweiz erwartet das Schlimmste. Ein deutscher Flüchtling auf dem Weg nach Zürich erlebt ein tief verunsichertes Land. In Franz Schnyders Weltkriegsdrama von 1957 spielen Heinz Reinke und Linda Geiser die Hauptrollen.

Am 10. Mai 1940 um 03.00 Uhr nachts gerät die Westfront in Bewegung. Die deutsche Wehrmacht überfällt Belgien, Holland und Luxemburg, um die Maginotlinie aufzurollen. Auf seiner Kontrollrunde trifft der Schweizer Bahnwärter Tschumi (Emil Hegetschweiler) den triefnassen deutschen Flüchtling Werner Kramer (Heinz Reinecke), der über den Rhein geschwommen ist. Kramer hofft, dass die Heftis, alte und gutsituierte Zürcher Freunde, ihm helfen werden. Doch die Nachricht vom deutschen Überfall wirkt auf die Schweizer wie ein Schock, verändert Lage und Stimmung. Ein Lastwagenchauffeur (Max Haufler) nimmt Kramer zwar ein Stück weit mit und spendiert ihm sogar ein Mittagessen, lässt ihn dann aber unvermittelt sitzen.

In Zürich erfährt der Flüchtling, dass die Heftis sich in die Innerschweiz abgesetzt haben. Auf dem Bahnhof bringt ihn dafür der Zufall mit der Schneiderin Anna Marti (Linda Geiser) zusammen, die er seit Kindertagen kennt. Anna gewährt ihm Unterschlupf im Atelier und nimmt ihn abends mit nach Hause. Das aber passt ihrem Wohnpartner, dem verwitweten Schwager Albert Widmer (Fred Tanner), ganz und gar nicht. Er überlegt sich sogar, ob er Kramer denunzieren soll. Doch Kramer sieht selbst ein, dass er so nicht weiterkommt. Er stellt sich der Polizei. Nach einer langen Nacht auf der Wache bleibt für ihn die bange Frage, wie seine Aussichten für ein Asylgesuch stehen.

«Mir war wichtig, zu zeigen, wie sich mein Land verhält, wenn es nicht nur 1.-August-Reden hält, sondern wirklich in Gefahr ist.» Das sagte Franz Schnyder von dem Filmstoff, der ihn beschäftigte, seit er als Hochgebirgssoldat Aktivdienst geleistet hatte. Das Drehbuch schrieb er zusammen mit den Schweizer Schriftstellern Arnold Kübler und Wilhelm Michael Treichlinger. Wie schon in «Wilder Urlaub» umfasst der Film den Ablauf eines einzigen Tages, schildert aber diesmal die Gemütslage einer ganzen Nation. Das bedingte eine Vielzahl von Personen, von kleinen Einzelschicksalen, die in kurzen Szenen glaubhaft werden mussten.

Aufgeboten war daher praktisch jeder und jede in der Schweiz, die im Schauspielbereich Rang und Namen hatte, von Therese Giehse bis Fredy Scheim. Und sie machten mit, vielfach nur in kleinen und kleinsten Rollen. «Der 10. Mai» wurde 1958 bei der Berlinale als Eröffnungsfilm gezeigt, allerdings ausser Konkurrenz, da er von der Schweiz nicht offiziell zum Wettbewerb angemeldet wurde. «Mit schmutziger Wäsche geht man nicht ins Ausland», beschied Bern. In den Schweizer Kinos wurde der Film damals ein Misserfolg. Das Publikum war noch nicht bereit, eine selbstkritische Darstellung der Kriegstage zu akzeptieren.

1976 brachte Schnyder daher eine neu überarbeitete und gekürzte Fassung in die Kinos und vernichtete die Negative des Originals. In Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse und dem Filmmuseum in Frankfurt konnte SRF die Schweizer Premierenfassung von 1957 rekonstruieren.

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