aspekte

Fr, 10.05.  |  23:30-0:15  |  ZDF
Untertitel/VT  Zeitgeschichtlicher Stoff, Deutschland 2024 Länge: 45 Min.

Putins Arm wird immer länger. Bedrohungen und Angriffe auf Putin-Gegner in Europa nehmen zu. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben Hunderttausende Russen ihr Land verlassen.

Wie schwierig gestaltet sich ihr Leben fern der Heimat? Kremlkritik ist im Russland Putins lebensgefährlich. Und im Ausland? Wie setzen Russen im Exil ihren Kampf für Demokratie, Freiheit und gegen den Ukraine-Krieg fort?

"aspekte"-Host Jo Schück trifft die Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa. Die Menschenrechtlerin und Historikerin aus Moskau floh vor zwei Jahren Hals über Kopf nach Berlin. Mit der Menschenrechtsorganisation "Memorial" arbeitet sie seit 1978 die Verbrechen der Sowjetunion auf. "Memorial" ist in Russland erst seit Ende 2021 verboten, viele Mitglieder sind verhaftet und Irina Scherbakowa wurde in Abwesenheit zur Volksfeindin erklärt. Doch Scherbakowa erhebt im Exil weiter ihre Stimme. Ende 2022 erhielt die Organisation "Memorial" und sie als Mitbegründerin, den Friedensnobelpreis. Sie sorgt sich um ihren 71-jährigen Kollegen Oleg Orlow, der im April in einem Straflager im Wolgagebiet inhaftiert wurde: "Alle politischen Häftlinge schweben jetzt in Russland in Lebensgefahr." Den brutalen langen Arm des russischen Präsidenten bekam der Putin-Kritiker Leonid Wolkow am eigenen Leib zu spüren. Der Nawalny-Vertraute setzte sich unter großem Risiko gegen staatliche Lügen in Russland ein, arbeitete für Alexej Nawalnys Antikorruptionsstiftung und floh 2019 nach Litauen. Der Tod Nawalnys war für ihn ein Schock. Im März 2024 schlugen ihn Unbekannte mit einem Hammer nieder. Wolkow hat keinen Zweifel, dass der russische Präsident hinter der Attacke steckt. Trotz der Repressionen: Er will weiter gegen Putin kämpfen.

Auch YouTube-Star und Journalistin Masha Borzunova weiß, dass die Sicherheit im Ausland trügerisch ist. "Natürlich denke ich oft daran, dass Oppositionelle im Ausland vergiftet oder umgebracht werden. Aber meine Kollegen, die noch in Russland sind, riskieren jeden Tag ihr Leben." Die 29-jährige war Redakteurin des russischen Alternativsenders Doshd. In ihrer neuen Heimat in Berlin geht sie mit ihrem YouTube-Kanal "Masha Borzunova" weiter gegen Putin an. Unterhaltsam analysiert und dechiffriert sie die Kreml-Propaganda und erreicht ein westliches und russisches Millionenpublikum. Sie erklärt Jo Schück, warum Medienkompetenz eine wichtige Waffe gegen Putins Machtapparat ist.

Den bekam auch er schon drakonisch zu spüren: Kirill Serebrennikow. An der Komischen Oper in Berlin trifft Jo Schück den Star-Regisseur, der dort Mozarts Werk "Le Nozze di Figaro" auf die Bühne bringt. Serebrennikow wurde in Russland verfolgt, verhaftet und unter Hausarrest gestellt, bevor er das Land verlassen konnte. Fast zwei Jahre saß der Regisseur in seiner 40qm Wohnung in Moskau fest und inszenierte unter Hausarrest Kinofilme, Theaterstücke und Opern. Serebrennikow ist ein gefeierter Regisseur in Deutschland und Europa. Hat er sich im Exil eingerichtet? Was macht das Exil mit ihm und seiner Kunst, möchte "aspekte"-Moderator Jo Schück wissen.

Kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs floh der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew mit seiner Familie nach Berlin. Sein Roman "Der große Gopnik" ist eine scharfe Abrechnung mit Putin. Jerofejews Vater war einst Stalins Übersetzer und später sein Kulturattaché in Paris. Sohn Viktor Jerofejew hat sich dagegen sein Leben lang als kritischer Beobachter der russischen Politik hervorgetan. Das russische Restaurant "Pasternak" in Berlin-Prenzlauer Berg ist nun für Jerofejew zu einem Stück Heimat geworden. Hier spricht Jo Schück mit dem Literaten.
Wie kompensieren die Exilanten die Mixtur aus Heimweh, Sorge und Angst? Jo Schück begibt sich auf einen Streifzug durch das russische Leben in Berlin und trifft Verfolgte, die weiter für ein besseres Russland kämpfen. Zwischen Bedrohung und Hoffnung.



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