RESPEKT - Demokratische Grundwerte für alle! Haut bloß ab! Wie Architektur Menschen ausgrenzt

So, 12.05.  |  19:30-20:00  |  ARD-alpha
Untertitel/VT Stereo  2023
Mittelalterliche Bauten kennt man ja: mit meterdicken Wänden und Schießscharten, einem tiefen Burggraben. Aber 2023? Auch heute gibt es noch jede Menge Ideen, Städte so umzugestalten, dass sich nur bestimmte Menschen willkommen fühlen. Und auf der anderen Seite die Menschen vertrieben werden, die nicht ins schöne Stadtbild passen.

Mittelalterliche Bauten kennt man ja: mit meterdicken Wänden und Schießscharten, einem tiefen Burggraben. Aber 2023? Auch heute gibt es noch jede Menge Ideen, Städte so umzugestalten, dass sich nur bestimmte Menschen willkommen fühlen. Und auf der anderen Seite die Menschen vertrieben werden, die nicht ins schöne Stadtbild passen.

Dieter Bichler weiß, wovon er spricht. Nach einem Schicksalsschlag war er für elf Monate obdachlos. Er sagt: Die Lage auf den Straßen Berlins hat sich verschärft. Hauseingänge werden so umgestaltet, dass man keinen Unterschlupf mehr darin findet. Luftschlitze und Gitterroste werden verschlossen, damit die entweichende Luft nächtliche Besucher nicht mehr wärmen kann. Dieter Bichler kennt sogar ein Kaufhaus, das vor seinen Eingängen in Bodennähe absichtlich Chemikalien versprüht hat, um Obdachlose zu vertreiben.

Heute macht Dieter Bichler Stadtführungen für den gemeinnützigen Verein "querstadtein" und möchte möglichst anschaulich zeigen, wie es ist, auf der Straße zu leben. Und dass es jede:n treffen kann, auf der Straße zu landen.

Auch in München finden sich Beispiele für feindliche Architektur – nicht nur gegen wohnungslose Menschen. Max ist Skater und frustriert. Von vielen Plätzen, auf denen er sich mit anderen aus der Szene seit Jahren getroffen hat, sind sie vertrieben worden. Oder die Orte sind so umgebaut, dass Skaten nicht mehr funktioniert. Die Sitzbänke, auf denen sich mit dem Board gut grinden (entlangschliddern) ließ, sind heute mit Stoppern versehen oder mit Holz abgedeckt. Max fühlt sich zunehmend unerwünscht.

Max fragt sich: Warum sind die anderen Stadtbewohner:innen so intolerant, obwohl sie an lebendiges Stadtleben gewöhnt sein sollten, wo der Trubel einfach dazu gehört? Einer, der es wissen muss: Donald van der Laan. Er ist Geschäftsführer eines Unternehmens, das ein Gerät verkauft, um Jugendliche beispielsweise aus Hausecken oder Hausdurchgängen zu vertreiben. Es erzeugt ein unerträgliches Geräusch: hohe Fieptöne, die nur junge Ohren hören können. Donald van der Laan argumentiert damit, dass seit der Corona-Pandemie die Konflikte wegen Lärm- und Schmutzbelästigungen immer schlimmer geworden seien. Auch mit zunehmend gewaltbereiten Jugendlichen. Ältere Menschen würden deswegen inzwischen nicht mehr den Dialog suchen, sondern auf andere Mittel zurückgreifen. Verständlich?

Die Corona-Pandemie hat ihren Beitrag dazu geleistet, dass sich mehr Menschen einsam fühlten. Auch die Obdachlosen. Marvin und Iva wollten etwas dagegen tun. Während des ersten Lockdowns 2020 gründeten sie und andere Stuttgarter:innen den "Paule Club", eine Begegnungsstätte unterhalb der Paulinenbrücke, mit Palettenmöbeln und bald auch einem kleinen Garten.

Marvin war selbst ein halbes Jahr auf der Straße, er weiß, wie sich das anfühlt. Im Paule Club, sagt er, werden Obdachlose gesehen und gehört. Und mit dem Nötigsten ausgestattet. Iva hat Multiple Sklerose. Die Diagnose hat ihr den Boden unter den Füßen weggezogen, sagt sie. Dann hat sie für sich das Tanzen entdeckt und wieder Energie und Kraft gefunden. Die gibt sie mit ihren Tanzworkshops jetzt an suchtkranke Frauen weiter.

Marvin und Iva und die anderen vom Paule Club haben sich einfach selbst genommen, was ihnen die Stadt verwehrt hat: Raum zum Leben.

Die Stadt sollte allen gehören. Der Paule Club zeigt, dass es möglich ist, sich gemeinsam Räume zu teilen. Egal, wie viel Geld oder Macht jemand hat.

Moderation: Meret Reh

in Outlook/iCal importieren

Mediathek für ARD-alpha:

BR Mediathek und Livestream

Senderinfos zu ARD-alpha:

alpha – Kontakt & Infos